Zum Erhalt des parlamentarischen Fragerechts und der Verantwortung der Exekutive
,Die Äußerungen von Innenminister Georg Maier (SPD), wonach die AfD das parlamentarische Fragerecht missbrauche, um „gezielt unsere kritische Infrastruktur auszuforschen“, haben eine anhaltende Diskussion über Grenzen und Begrenzung parlamentarischer Kontrolle ausgelöst. Die BSW-Fraktion im Thüringer Landtag nimmt diese Debatte zum Anlass für eine sachliche Bewertung, die die verfassungsrechtlichen Grundsätze und die Funktionsfähigkeit unserer demokratischen Institutionen in den Mittelpunkt stellt.
Stefan Wogawa, parlamentarischer Geschäftsführer der BSW-Fraktion stellt unmissverständlich klar:
„Das parlamentarische Fragerecht ist ein konstitutives Element unserer parlamentarischen Demokratie – und Grundrecht jedes Abgeordneten. Es kennt keine inhaltlichen Beschränkungen aufgrund politischer Einschätzungen oder vermuteter Motive der anfragenden Abgeordneten. Wir sehen einen gefährlichen Präzedenzfall: Die Exekutive ist nicht in der Rolle zu beurteilen, welche parlamentarischen Kontrollinstrumente legitim sind: Wer dieses Prinzip durch sein Handeln infrage stellt, greift unzulässig in die Gewaltenteilung ein und gefährdet die parlamentarische Kontrolle der Regierung.
Der Kern der Debatte wird aktuell durch die emotional aufgeladene Diskussion verdeckt:
Die Verantwortung für den Schutz kritischer Infrastrukturen und die sichere Handhabung sicherheitsrelevanter Informationen obliegt primär bei der Exekutive, in Thüringen dem Ministerium für Inneres, Kommunales und Landesentwicklung (TMIKL). Wenn Anfragen im Einzelfall oder systematisch sicherheitsrelevante Bereiche betreffen, bei denen eine Offenlegung problematisch ist, dann ist es die verfassungsrechtliche Pflicht und Aufgabe der Landesregierung, bei der Beantwortung die Sicherheitsinteressen des Staates und die Funktionsfähigkeit von Regierung und Sicherheitsarchitektur gegen die grundsätzliche Auskunftspflicht abzuwägen – und bei begründetem Zweifel Auskünfte zu begrenzen. Final entscheidet ein Gericht.
Sven Küntzel, sicherheitspolitischer Sprecher der BSW-Fraktion:
„47 Anfragen zu Infrastrukturthemen in den vergangenen zwölf Monaten sind nicht per se problematisch – kritisch wäre, wenn die Exekutive bei der Beantwortung sicherheitsrelevante Details offenlegt, die besser geschützt geblieben wären.
Es darf nicht sein, dass ein Innenminister – der oberste Polizeibeamte des Landes – genau jene Ermittlungsgrundsätze missachtet, deren Einhaltung er von seinen unterstellten Mitarbeitern erwarten muss. Ein Verdacht, der nicht auf hinreichenden Beweistatsachen beruht, darf nicht öffentlich als nahezu erwiesene Tatsache präsentiert werden. Wenn jedoch hinreichende objektive Anhaltspunkte für die behauptete Spionage vorliegen, ist nach dem Legalitätsprinzip die Eröffnung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens zwingend. Auch dieses wird nichtöffentlich und ergebnisoffen geführt.“
Die BSW-Fraktion warnt: Eine Demokratie muss es aushalten, dass auch Oppositionsparteien, deren politische Positionen man nicht teilt, ihre verfassungsmäßigen Rechte vollumfänglich wahrnehmen. Der Staat schützt sich nicht dadurch, dass die Exekutive das Parlament kontrolliert – sondern dadurch, dass das Parlament die Exekutive kontrolliert – und diese ihrer Schutzverantwortung gerecht wird.