Gegen EU-Überwachung privater Kommunikation
,Die BSW-Fraktion im Thüringer Landtag kritisiert die Art und Weise, wie die Europäische Union derzeit die Gesetzesinitiative zu den sogenannten „Chatkontrollen“ (CSA-Verordnung) vorbereitet. Mehrere Fassungen des Verordnungsentwurfs wurden hinter verschlossenen Türen verhandelt. Am Mittwoch unterstützten die Vertreter der EU-Mitgliedstaaten schließlich ohne öffentliche Debatte die Variante, die Kommunikationsanbietern „freiwillig“ ermöglicht, Nachrichten und Dateien bereits auf den Endgeräten der Nutzer zu scannen (Client-Side-Scanning). Dafür sollen großzügige Ausnahmen im Datenschutzrecht geschaffen werden.
Noch im Oktober war eine Fassung des Entwurfs gescheitert, die diesen hoch umstrittenen Ansatz verpflichtend vorgesehen hatte. Problematisch bleibt jedoch die nun enthaltene Formulierung, die Kommunikationsanbieter verpflichtet, „geeignete Maßnahmen zur Risikominderung“ zu ergreifen. Experten warnen, dass dies praktisch nur durch umfassendes Client-Side-Scanning zu erfüllen wäre. Damit öffnet die EU die Tür für tiefgreifende Eingriffe in die private Kommunikation der Bürger.
Entsprechend des Entwurfs könnten Dienste wie WhatsApp, Signal, Anbieter von E-Mail-Diensten oder Cloudspeichern verpflichtet werden, sämtliche Nachrichten, Fotos, Videos und Dateien ihrer Nutzer automatisch auszuwerten – auch dann, wenn die Inhalte eigentlich verschlüsselt übermittelt werden. Das würde bedeuten, dass nicht nur gegen Verdächtige ermittelt wird, sondern im Ergebnis alle Menschen betroffen wären, unabhängig davon, ob überhaupt ein Anlass besteht. Ein solcher Schritt wäre ein erheblicher Eingriff in das grundrechtlich geschützte Fernmeldegeheimnis und hätte spürbare Folgen für Datenschutz, Pressefreiheit und IT-Sicherheit.
Nina Behrendt, Sprecherin für Digitales der BSW-Fraktion, sagt: „Entscheidungen von dieser Tragweite dürfen nicht im Stillen getroffen werden. Sie brauchen eine offene Debatte. Um dem Thema zu entsprechender Öffentlichkeit zu verhelfen, hat die BSW-Fraktion eine Aktuelle Stunde für die nächste Plenarwoche beantragt.“
Behrendt weiter: „Wir dürfen nicht zulassen, dass im Namen des Kinderschutzes das Grundrecht auf vertrauliche Kommunikation aufgeweicht wird. Die angebliche Freiwilligkeit für Anbieter ist ein Feigenblatt – am Ende würden sie verpflichtet, private Kommunikation automatisiert auszuwerten. Wer Demokratie und Rechtsstaat ernst nimmt, muss solchen Entwicklungen entschieden entgegentreten. Und wer wirklich Kinder schützen möchte, muss sich für technisch und personell besser ausgestattete Strafverfolgungsbehörden einsetzen. Die Verschiebung des staatlichen Gewaltmonopols auf Privatunternehmen kann nicht die Lösung sein.“